Ohrlöcher sind einfach ein muss!

Ohrlöcher sind einfach ein Muss

Vor Kurzem habe ich mich endlich dazu durchringen können, mir links und rechts ein Ohrloch stechen zu lassen. Als Teil meiner Tarnung habe ich mich all die Jahre nicht daran gewagt, da ich annahm, dass es eher in der Welt der Frauen zu finden ist, und um ja nicht als Transe erkannt zu werden. Das war eigentlich ziemlich dumm, denn Männer mit Ohrlöchern sind seit jeher alles andere als eine Seltenheit.

Ein Großteil des schönen und weiblichen Ohrschmucks bleibt einem nämlich ohne Löcher verwehrt. Um dennoch auf die weiblichen Accessoires nicht gänzlich verzichten zu müssen, behalf ich mir mit Clips oder verwendete Ohrringe mit Magnetverschluss. Jedoch ist die Auswahl mit Ohrlöchern um ein Vielfaches größer und die Verwandlung vom Mann zur Frau wieder um einen Tick realistischer. Kein Wunder konnte ich nicht widerstehen.

Schon immer hat mich genervt, dass die Dinger mit zunehmender Tragezeit ziemlich schmerzen, auch wenn das natürlich gut zu ertragen ist. Es erinnerte mich jedoch immer daran, dass ich eben doch nur eine (ängstliche) Kopie bin. Vor Kurzem war das Maß dann aber doch endgültig voll. Ich hatte mir ein paar wunderschöne Perlenohrringe bestellt, die magnetisch befestigt werden. Das Fass zum Überlaufen brachte, dass ich gleich beim ersten Tragen einen der beiden Perlenohrringe verloren habe.

Das Stechen der Löcher war so unproblematisch, dass ich nicht mehr darüber berichten muss. Die wirklich sehr kleinen medizinischen Stecker fielen nur wenig(en) auf und mussten mindestens sechs Wochen permanent im Ohrläppchenbleiben.

Um weder in meinem privaten noch in meinem beruflichen Umfeld als Transe erkannt zu werden, habe ich mir eine dieser saudummen, aber sehr wirksamen Ausreden einfallen lassen. Den wahren Grund, weshalb ich mir die Ohrlöcher habe stechen lassen, musste ich ja nicht unbedingt jedem auf die Nase binden. Wenn mich jemand auf die kleine Veränderung bei meinem äußeren Erscheinungsbild angesprochen hat, dann habe ich ihm den Bären von einer unter Alkoholeinfluss verlorenen Wette aufgebunden. Die Ausrede hat erstaunlich gut funktioniert.

Was habe ich mir einen Kopf darüber gemacht, wie die anderen Menschen auf meine beiden Ohrlöcher reagieren! Die meisten Menschen interessierten sich nicht die Bohne für meine neuen (medizinischen) Ohrringe. Zugeben muss ich jedoch, dass meine Partnerin nicht gerade Freudensprünge vor Begeisterung machte, aber ich wurde ja auch nicht gefragt, als sie sich ihre wundervollen langen Haare abschneiden ließ. Warum auch, es ist ja ihr Körper. Sie kann aber dennoch gut damit leben und meine engen Freunde sind immer noch meine engen Freunde. Eigentlich dachte ich, dass ich damit deutlich mehr Aufsehen errege, aber kein Schwein interessiert sich wirklich dafür. Wie blöd, dass mir das erst nach so vielen Jahren bewusst wurde.

Ich liebe meine Ohrringe

Vorsorglich erst nach acht Wochen habe ich dann das erste Mal Ohrstecker und Creolen verwendet. Ich möchte nicht verschweigen, dass es danach kleinere Probleme gab. Es blutete ein wenig und anschließend gab es an einem Ohr eine kleine Entzündung. Das Ohr wurde heiß, rot und schmerzte ein wenig. Mit einem Ohrlochkosmetikum (Forasept) und ein wenig handelsüblicher Wundheilsalbe (Bepanthen) war das Problem bereits tags darauf beseitigt. Insgesamt also kaum der Rede wert.

Ganz klar, heute ärgere ich mich maßlos über mich selbst, dass ich das nicht schon sehr viel früher in Angriff genommen habe! Mein Rat ist daher: Zieht es durch, es kräht eh’ kein Hahn danach! Männer mit Ohrlöchern sind im 21. Jahrhundert sowieso völlig „old school“. Entscheidend ist, dass wegen der beiden kleinen Löcher in meinen Ohren niemand auch nur annähernd auf die Idee kam, dass ausgerechnet ich eine Transe bin.

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Über Annica

Annica Springmann aus Esslingen ist der kreative Kopf hinter Female Copy. Heute lebt die gebürtige Schwäbin in der sonnigen Südpfalz und neben Ihren Aktivitäten als Transgender Model, Fotografin, Mentorin und Autorin arbeitet die studierte Wirtschaftsingenieurin als IT-Expertin im Management. Mit Ihrer Webseite, dem Blog und ihren sozialen Profilen möchte Sie anderen Mut machen, ihr Leben so zu leben wie es sie glücklich macht, ihre Erfahrungen teilen und mit dem einen oder anderen Vorurteil aufräumen.

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